RSNplusNach Lipowitz-Aus wird umgeplant, aber nichts bereut

Martinez und Bora wollen nicht nur Platz 2 verteidigen

Von Felix Mattis

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Daniel Felipe Martinez (Bora - hansgrohe) sprintet bei der Bergankunft am Santuario di Oropa auf der 2. Etappe zu Rang 2. | Foto: Cor Vos

13.05.2024  |  (rsn) – Sollte der Status Quo beim Giro d'Italia auch nach der Schlussetappe in Rom noch Bestand haben, so wäre man bei Bora – hansgrohe sicher zufrieden. Ein zweiter Gesamtplatz mit Kapitän Daniel Felipe Martinez hinter Überflieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), das sollte Grund zum Feiern sein. Und Stand jetzt, nach neun Etappen, wäre es angesichts der überlegenen Auftritte des Slowenen im Maglia Rosa wohl auch das Maximum, das herauszuholen ist.

Doch eine Grand Tour dauert drei Wochen und am ersten Ruhetag ließen Martinez selbst sowie auch sein Sportlicher Leiter Enrico Gasparotto auf der Online-Pressekonferenz von Bora – hansgrohe anklingen, dass die Devise für die verbleibenden zwölf Renntage nicht reine Defensive ist.

"Wenn ich mich gut fühle, versuche ich auch Pogacar zu attackieren", sagte der Kolumbianer, ordnete aber auch ein: "Mein Ziel bleibt, einfach das bestmögliche Ergebnis herauszuholen." Und Gasparotto erklärte: "Es ist noch weit und wir müssen so geduldig sein, wie möglich - aber auch bereit, wenn es passiert (dass Pogacar einen schlechten Tag hat, Anm. d. Red.). Wenn wir ihn etwas leiden sehen, müssen wir versuchen, die Möglichkeit zu nutzen." ___STEADY_PAYWALL___

"Es ist eigentlich so gelaufen, wie wir es uns gedacht haben"

Der Italiener gab zu, dass man in einem Traumszenario nach neun Tagen noch näher am Rosa Trikot dran gewesen wäre, als 2:40 Minuten Rückstand zu haben. Und dass man von Pogacars bisheriger Vorstellung natürlich beeindruckt sei. "Aber in gewisser Weise haben wir auch erwartet, dass er den Giro in der ersten Woche 'killen' will, um dann in der zweiten und dritten Woche mehr zu kontrollieren, weil er ja auch die Tour fahren will. Es ist also eigentlich so gelaufen, wie wir es uns gedacht haben", so Gasparotto.

Bisher hatte Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) seine Gegner beim Giro voll im Griff, aber Dani Martinez (Bora – hansgrohe) ist 'Best of the Rest'. | Foto: Cor Vos

Martinez' bisherige Leistungen seien für ihn ebenfalls keine Überraschung, betonte der zweifache Sieger des Amstel Gold Race. Dass der Kolumbianer bei beiden bisherigen Bergankünften hinter Pogacar Zweiter wurde und auch im Einzelzeitfahren von Perugia hinter Pogacar und Antonio Tiberi (Bahrain Victorious) der drittbeste der Klassementfahrer war – als Etappenachter – traute er ihm offenbar von Beginn an zu. "Ich war an der Algarve und auch bei Tirreno im Auto hinter ihm. Wir kennen sein Potential und deshalb haben wir ihn auch geholt – und deshalb war er auch immer als GC-Leader für den Giro geplant", meinte der Italiener.

Martinez strahlt beeindruckende Gelassenheit aus

Die Frage wird sein, wie sich Martinez über die gesamten drei Wochen und am Ende auch im Hochgebirge schlägt. Als Kolumbianer könnte er jenseits der 2.000-Meter-Grenze, so die Theorie, einen kleinen Vorteil gegenüber seinen Kontrahenten haben. Gleichzeitig aber ist sein erster Verfolger in der Gesamtwertung, der 37-jährige Geraint Thomas (Ineos Grenadiers), ein echter Grand-Tour-Spezialist. "Es kommt alles auf die Energie an. Die letzte Woche wird wirklich schwer, die Dolomiten sind hart und G ist auch ein wirklich guter Fahrer für drei Wochen. Wir werden sehen", meinte Martinez.

Der 28-Jährige wirkte am Montag ohnehin tiefenentspannt. Als Pressesprecherin Stephanie Constand die Fragerunde eröffnete und zu Fragen auf Englisch oder Spanisch einlud, sagte er mit einem Grinsen: "Oder Italienisch." Seine Antworten dann fielen meist kurz aus und beinhalteten fast alle die Floskel 'Wir werden sehen'. Fast schon plakativ zeigte er, seine Gelassenheit und die Mentalität, einfach alles auf sich zukommen zu lassen.

Fokussiert, aber auch entspannt: Dani Martinez (Bora – hansgrohe) im Giro-Bergtrikot, das er stellvertretend für Spitzenreiter Pogacar trägt. | Foto: Cor Vos

"Normalerweise sollte ich gut rauskommen aus dem Ruhetag. Ich habe mich heute ein wenig belastet und dann sehen wir morgen", sagte er beispielsweise. Oder: "Ich fühle mich gut und die Beine werden von Tag zu Tag besser. Der Giro ist noch lang, schauen wir mal…"

Wie schwer wiegt das Aus von Lipowitz?

Selbst als das Gespräch auf den momentan vielleicht größten Schwachpunkt von Martinez kam – nämlich seine nach dem krankheitsbedingten Aus von Florian Lipowitz ausgedünnte Helfergarde für die Berge – beeindruckte Martinez das wenig. "Wir haben einen echten Kletterer verloren", gab er zwar zu, dass das ein Rückschlag war, um dann aber anzufügen: "Wir werden sehen. Giovanni (Aleotti) ist auch in guter Form, und auch Maxi (Schachmann) ist wirklich gut drauf."

Trotzdem: Auf dem Papier hat Martinez im Vergleich zu den meisten anderen Podiumskandidaten gerade für die ganz langen und hohen Berge wohl das schwächere Team an seiner Seite. Nachdem Lipowitz bei der ersten Bergankunft am Santuario di Oropa noch bärenstark fuhr und fast wirkte, als sei er hinter Pogacar der Zweitstärkste, kam Martinez im Apennin-Skiort Prati di Tivo am Samstag ohne Teamkollege an. Im unteren Teil des Schlussanstiegs hatte Schachmann das Tempo bestimmt, bevor er sich neun Kilometer vor Schluss verabschiedete, und Aleotti fiel gut vier Kilometer vor Schluss zurück. Pogacar, Geraint Thomas und Ben O'Connor dagegen wurden von Rafal Majka, Thymen Arensman und Alex Baudin bis ganz zum Schluss begleitet.

Geraint Thomas (Mitte) hat mit Thymen Arensman (verdeckt dahinter) neben Pogacar mit Majka den wohl zweitstärksten Helfer für die Berge an seiner Seite. | Foto: Cor Vos

Gasparotto gab am Montag zu, dass das Aus von Lipowitz die Team-Taktik beeinflussen werde. "Natürlich ist das ein Verlust für uns. Seine Rolle wäre gewesen, eine Helferrolle für Dani im Hochgebirge zu spielen. Ohne ihn müssen wir die Strategie natürlich anpassen", sagte der Italiener und deutete an, dass die Freiheiten in Sachen Etappenjagd gerade für Schachmann nun etwas eingeschränkter sein könnten:

Ein weiterer Kletterer fehlt: Die Buchmann-Diskussion

"Wir schauen von Tag zu Tag und gucken dann, wie die Strategie für Dani funktioniert mit den Ressourcen, die wir hier haben. Das könnte an einigen Tagen Max sein, der bei ihm ist, an anderen Giovanni oder auch Jonas Koch – oder wir schicken jemand in die Gruppe", so Gasparotto. "Wir haben sicher etwas unseres Potentials fürs Hochgebirge verloren, verglichen mit UAE oder Ineos oder AG2R. Wir müssen kreativ sein und vielleicht auch den einen oder anderen etwas anderen Plan finden, um Dani so gut wie möglich zu unterstützen – auch bei einigen wichtigen Ankünften nächste Woche."

Vor dem Giro d'Italia war heiß diskutiert worden, dass Bora – hansgrohe Emanuel Buchmann nicht zur Italien-Rundfahrt mitgenommen hat. Der Tour-de-France-Vierte wähnte sich in guter Verfassung und bewies das in der vergangenen Woche auch mit Gesamtrang zwei bei der Ungarn-Rundfahrt. Er hätte fürs Gebirge ein wichtiger Mann an Martinez' Seite sein können – und vor allem einer, der an der Seite von Grand-Tour-Debütant Lipowitz oder dem 24-jährigen Aleotti, der auch erst zwei komplette Grand Tours in den Beinen hat, viel Erfahrung und Konstanz über drei Wochen mitgebracht hätte. Bei Bora entschied man sich gegen Buchmann und setzte lieber auf Fahrer mit mehr Endschnelligkeit, die aus Gruppensprints heraus eine Etappe gewinnen könnten.

In Ungarn zweimal knapp am Etappensieg vorbei und Gesamtzweiter: Emanuel Buchmann. | Foto: Cor Vos

Ob man die Entscheidung, auf weitere Kletterer zu verzichten nach dem Lipowitz-Aus nun sofort bereut habe, wollte radsport-news.com daher von Gasparotto wissen. "Das ist jetzt leicht zu sagen. Ich habe diese Frage eigentlich sogar erwartet, denke also in Sachen Kreativität könnten Sie sich besser anstellen", antwortete der Italiener mit freundlichem Ton. "Aber wir hatten eine klare Strategie, einen klaren Plan und klare Rollen für die Fahrer, die wir mitgenommen haben. Dazu stehe ich. Florian ist krank und, wie gesagt, es ist ein Fakt, dass uns jetzt ein Fahrer als Berghelfer fehlt – kein Zweifel! Aber gleichzeitig kann bei einer Grand Tour auf jeder Etappe alles passieren."

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